Städte

Qamishlo

Der Name der Stadt bedeutet auf kurdisch „das Land der vielen Schilfe“, aufgrund des großen Schilfanbaus entlang den Ufern des Tigris, der in der Türkei entspringt und südlich bis zur Grenze Syriens bei Qamishlo verläuft. Die Stadt liegt im Südwesten Kurdistans. Während des ersten Weltkriegs und durch das Sykes-PicotAbkommen wurde sie von Syrien annektiert. Mittlerweile gehört Qamishlo der Provinz Hasaka, im äußersten Nordosten Syriens, an der Grenze zur Türkei an. Sie liegt gegenüber der kurdischen Stadt Nusaybin, auf der türkischen Seite. Qamishlo besteht aus vier Bezirken: Dem Stadtzentrum und den Bezirken Amude, Terbe,Sebie und Tal Hamis. Dazu kommen 122 Dörfer, die administrativ der Stadt Qamishlo angehören. Die Mehrheit der Einwohner*innen der Stadt sind Kurd*innen. Des weiteren leben hier Minderheiten wie Araber*innen, Assyrer*inne und Armenier*innen. Die Stadt ist geprägt von der religiösen Vielfalt der Muslim*innen und Christ*innen. Für die jüdischen Kurd*innen war Qamishlo eines der drei wichtigsten Zentren in Syrien, nach Damaskus und Aleppo. Aber sie verließen die Stadt und wanderten zwischen 1947 und 1970 nach Israel aus. Die Stadt wurde 1926 von den Franosen modernisiert und Ende 1927 wurde Qamishlo eine moderne Stadt. Einen Flughafen besitzt Qamishlo auch. Er wurde ebenfalls von den Franzosen geplant und gebaut und wurde später zu einem internationalen Flughafen. Die archäologische Forschung und Ausgrabung in Qamishlo begann zwischen 1937 und 1939 und wurde von amerikanischen und deutschen Delegationen geleitet. Hierbei wurden sechs unterschiedliche, übereinanderliegende Zivilisationsebenen entdeckt. Qamishlo liegt in der Nähe der historischen, aus der hurritischen Zivilisation stammenden Stadt Urkesch, die im vierten Jahrtausend v.u.Z. florierte. Urkesch war bekannt für starken Regen und häufige Niederschläge, die es geeignet für die Ansässigkeit und Agrikultur machten. Urkesch war umgeben von dichten Wäldern. Dieses Merkmal veranlasste die Menschen schon seit der sogenannten Tell Halaf-Zivilisation (6000 v.u.Z.), sich dort niederzulassen. Neben dem Reichtum an landwirtschaftlichen Produkten war die strategische Lage der Stadt einer der Hauptgründe für ihr Wachstum und ihren wirtschaftlichen Aufschwung. Eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Stadt war die Durchführung einer außergewöhnlichen und willkürlichen Volkszählung durch die syrische Regierung in Qamischlo und den umliegenden kurdischen Städten in der Provinz Hasaka im Jahr 1962. Diese willkürliche Volkszählung war die erste diskriminierende Maßnahme gegen die Kurd*innen in Syrien, da mehr als siebzigtausend Kurd*innen ihrer syrischen Staatsangehörigkeit beraubt wurden. Diese Zahl verdoppelte sich im Laufe der Zeit und erreichte Anfang 2011 rund 400.000. 

Die Volkszählung führte dazu, dass den Kurd*innen alle Bürger*innenrechte entzogen wurden, wie z. B. Eigentum, Reisen, offizielle Beschäftigung, Hochschulbildung, die Bestätigung von Ehen und Geburten in den staatlichen Aufzeichnungen und die Verweigerung des Rechts von Krediten zu profitieren, die von Banken gewährt wurden. Diese willkürliche Zählung der Bevölkerung diente einer demografischen und ethnischen Veränderung der Region, sowie der Negierung und allmählichen Auslöschung der kurdischen Identität, indem sie die kurdischen Namen der Städte und Dörfer durch arabische ersetzt haben, arabische Stämme in der Region angesiedelt und dafür kurdische vertrieben haben. Zusätzlich wurden die Grundstücke und Habseligkeiten der vertriebenen kurdischen Anwohner*innen an die neu Angesiedelten verteilt. Die Situation verblieb gleich bis ins Jahr 2011, dem Beginn der syrischen Krise. Infolgedessen verabschiedete die syrische Regierung 2011 zur Beruhigung der Massenproteste ein neues Gesetz, in dessen Rahmen die syrische Staatsbürgerschaft den benachteiligten Kurd*innen wieder verliehen werden sollte. Auch der Qamishlo-Aufstand im Jahr 2004 ist ein gravierendes Geschehnis in der Geschichte der Stadt. Bei einem Fußballspiel in Qamishlo im März 2004 kam es aufgrund provokanter Aktionen vom Publikum, darunter mehrere verschiedene arabische Stämme, zu Tumulten und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Kurd*innen und arabischstämmigen Teilnehmer*innen im Publikum. Es wurden verletzende, rassistische Beleidigungen gegen das kurdische Volk laut ausgesprochen. Aber die anwesenden Polizeikräfte handelten eindeutig zugunsten der arabischen Stämme und haben kaltblütig die Kurd*innen im Stadion erschossen, weggeknüppelt, festgenommen und anschließend rücksichtslos in Gefängnissen gefoltert. Infolgedessen brach der Qamishlo-Aufstand aus und breitete sich auf die übrigen kurdischen Städte in Syrien wie Afrin und Kobani aus. Die syrische Regierung setzte Gewalt ein, um den Aufstand zu beenden, der 40 kurdische Opfer, Hunderte von Verletzten und fast 2000 Gefangene zur Folge hatte. Die Bevölkerung der Stadt und ihrer Umgebung betreiben heute hauptsächlich landwirtschaftliche Betriebe. Die wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte der Region sind Weizen, Linsen und Gerste. Qamishlo spielt eine pionierende Rolle der Produktion in Syrien in Bezug auf Qualität und Quantität. Einer der ausschlaggebenden Aspekte, die diese Stadt extrem bedeutsam und äußerst relevant macht, sind ihre Bodenschätze: Öl und Gas. Angesichts ihres Vermögens an Öl, Landwirtschaft und Viehzucht gilt Qamishlo trotz ihrer vergleichsmäßig geringen Fläche als eine der wichtigsten Städte Syriens.